Psychische Störungen: Übersicht und Einordnung

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Was versteht man unter psychischen Störungen?
Im Artikel Wann zum Psychologen erfahren Sie, was eine psychische Störung ausmacht und wie sie diagnostiziert wird. Anhand von sieben Kriterien lässt sich das Verhalten einer Person als abweichend bezeichnen. Alltägliche negative Gefühle grenzen sich von einer psychischen Störung ab. Eine psychische Störung liegt vor, wenn sich Betroffene im Alltag beeinträchtigt fühlen und ihr Verhalten und Empfinden über einen gewissen Zeitraum deutlich von der Norm abweicht.
Was sind Angststörungen?
Angst ist kein angenehmes Empfinden. Sie warnt uns jedoch in der Regel vor Gefahren. Sie kann darum ein wichtiger Begleiter in gefährlichen Situationen sein. Bei einer krankhaften Angst können Betroffene jedoch kaum mehr einem normalen Tagesablauf nachgehen. Es gibt fünf verschiedene Arten von Angststörungen. Im Artikel zu Angststörungen finden Sie detaillierte Informationen.
- Generalisierte Angststörung: Eine generalisierte Angststörung liegt vor, wenn Betroffene über Monate hinweg Angst und Besorgnis verspüren – und das nicht in Zusammenhang mit einer bestimmten Situation, sondern in allen Lebenslagen: im Job, in der Familie und im Freundeskreis.
- Panikstörung: Panikattacken treten ganz plötzlich und ohne Vorwarnung auf. Betroffene haben schlagartig Angst vor einer Katastrophe oder dem Tod, obwohl eigentlich keine unmittelbare Gefahr besteht.
- Phobien: Bei unbegründet grosser und unkontrollierbarer Angst vor einem Gegenstand oder einer bestimmten Situation spricht man von einer Phobie. Eine Phobie ist in Grenzen normal. Beeinträchtigt sie jedoch den Alltag der Betroffenen und erfinden diese Strategien, um den Gegenstand oder die Situation zu vermeiden, bedarf sie Hilfe.
- Zwangsstörungen: Personen mit Zwangsstörungen sind gefangen in bestimmten Verhaltens- und Denkmustern. Bilder oder Impulse (z.B. das Gefühl, schmutzig zu sein) lassen sich nicht unterdrücken. Gedanken (z.B. «Habe ich die Tür wirklich abgeschlossen?») können nicht abgestellt werden und werden als ungewollt einschiessend und Einschränkung im Alltag erlebt. Bestimmte Regeln oder Rituale müssen ausgeführt werden, um Unbehagen zu umgehen oder gefürchtete Situationen abzuwenden.
- Posttraumatische Belastungsstörung: Bei einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leiden Betroffene unter einem ständigen Wiedererleben von traumatischen Ereignissen in Form von Flashbacks, Erinnerungen und Träumen. Im Artikel über PTBS erfahren Sie mehr darüber.
Was sind affektive Störungen?
In bestimmten Zeiten fühlen sich Menschen niedergeschlagen oder unglaublich glücklich. Bei manchen Menschen führen solche extremen Stimmungsschwankungen jedoch zu starken Alltagseinschränkungen. Ein normales Leben ist nicht mehr möglich.
Major Depression
Depressionen fordern einen hohen Preis von Betroffenen und ihrem Umfeld. Eine Depression kann dysphorische Stimmungen verursachen (traurig, bedrückt, hoffnungslos), Verlust an Interessen, Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit, starke Schuldgefühle, Konzentrationsprobleme und Suizidgedanken.
Bipolare Störung
Betroffene werden von einem Wechsel an depressiven und manischen Phasen geplagt. Eine manische Episode geht mit ungewöhnlich gehobener Stimmung einher. Die Person hat ein überhöhtes Selbstwertgefühl, unverhältnismässigen Optimismus und unrealistischen Tatendrang. Eine depressive Phase geht mit der Erkenntnis einher, welcher Schaden in der manischen Phase angerichtet wurde, sowie mit Schuldgefühlen und depressiven Gedanken. Dauer und Frequenz der Phasen variieren je nach Person. Bipolare Störungen sind statistisch gesehen seltener als eine Major Depression.
Was sind somatoforme und dissoziative Störungen?
Somatoforme Störungen bezeichnen physische Krankheiten oder Beschwerden, die durch tatsächliche medizinische Befunde nicht vollständig erklärt werden können. Betroffene empfinden die Beschwerden jedoch so stark, dass der resultierende Stress daraus ihr Alltagsleben beeinträchtigt.
Somatoforme Störungen
Menschen, die unter Hypochondrie leiden, wurde von medizinischem Fachpersonal volle Gesundheit bescheinigt. Dennoch sind sie überzeugt davon, krank zu sein. Oder sie haben trotz Beschwerdefreiheit ständig Angst, krank zu werden.
Menschen mit Somatisierungsstörungen weisen eine lange Geschichte von mehreren körperlichen Beschwerden auf, ohne dass diese (vollständig) medizinisch erklärbar sind (z.B. Magenschmerzen, Durchfall, exzessive Menstruationsblutungen, Doppelsehen).
Eine Konversionsstörung ist dadurch gekennzeichnet, dass motorische und sensorische Fähigkeiten verloren gehen, ohne eine Schädigung des Nervensystems oder einen anderen körperlichen Schaden. Die Betroffenen erleiden z.B. Blindheit ohne medizinische Ursache.
Dissoziative Störungen
Bei einer Unterbrechung der Integration von Identität, Gedächtnis und Bewusstsein spricht man von einer dissoziativen Störung. Menschen mit einer dissoziativen Störung fühlen sich von ihren Erinnerungen, Eindrücken, Gedanken, Gefühlen oder ihrem Körper und Verhalten losgelöst (dissoziiert). Ihr Identitätsgefühl und/oder ihr Bewusstsein ist bruchstückhaft.
Wer persönliche Erfahrungen vergisst, leidet an dissoziativer Amnesie. Wer zusätzlich von einem Fluchtverhalten begleitet wird (z.B. von zuhause oder der Arbeit weglaufen), leidet unter dissoziativer Fugue.
Die dissoziative Identitätsstörung wurde früher als multiple Persönlichkeitsstörung bezeichnet. Innerhalb eines Individuums existieren zwei oder mehr eigenständige Persönlichkeiten. Eine der Persönlichkeiten bestimmt jeweils das Verhalten. Diese Störung wird häufig mit der Schizophrenie verwechselt. Bei Schizophrenie findet jedoch keine Aufteilung der Persönlichkeit statt.
Was sind schizophrene Störungen?
Bei einer Schizophrenie sind Gedanken und Wahrnehmungen der Betroffenen verändert. Realitätsverlust, Wahrnehmungs-, Denk- und Antriebsstörungen, Sprachprobleme und Störungen in der Bewegung sind für diese Art der Störung typisch.
Es gibt fünf Typen schizophrener Störungen:
- Desorganisierter Typus: Die betroffene Person zeigt unzusammenhängende Denkmuster und desorganisierte Verhaltensweisen, die Kommunikation mit anderen ist erschwert (z.B. durch kindliches Verhalten, unvollständige Sätze)
- Katatoner Typus: Hauptkennzeichen ist die Störung der motorischen Aktivität, Betroffene wirken wie erstarrt und fallen durch eine starke Negativität in ihrem Verhalten auf
- Paranoider Typus: Leidet unter komplexen Wahnvorstellungen, die sich um eine bestimmte Thematik drehen wie Verfolgungswahn, Grössenwahn oder Eifersuchtswahn
- Undifferenzierter Typus: Mischung aus Symptomen der verschiedenen Typen, keine klare Zuordnung möglich
- Residualer Typus: Personen waren in der Vergangenheit von einer schizophrenen Episode betroffen und zeigen aktuell geringfügige Symptome
Was sind Persönlichkeitsstörungen?
Eine Persönlichkeitsstörung ist ein langanhaltendes und fehlangepasstes Muster von Wahrnehmung, Denken und Handeln. Sie tritt erstmalig meist in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter auf.
Borderline-Persönlichkeitsstörung
Bei der Borderline-Störung verhalten sich Betroffene sprunghaft in sozialen Beziehungen, in ihrem Selbstbild und in ihrer Stimmung. Starke Erregung, Angst, Verzweiflung, Wut, innere Leere – Betroffene sind emotional instabil und zeigen oft ein selbstgefährdendes Verhalten, etwa durch Drogenkonsum oder Schnittverletzungen. Leidende erleben in ihrem persönlichen Umfeld grosse Instabilität und erfahren Emotionen in starker Intensität.
Antisoziale Persönlichkeitsstörung
Betroffene leiden unter wiederkehrendem unverantwortlichem und gesetzeswidrigem Verhalten. Sie verletzen soziale Normen, lügen, stehlen oder üben Gewalt aus. Menschen mit antisozialer Persönlichkeitsstörung empfinden keine Reue oder Scham nach ihren Taten. Häufig tritt die Störung zusammen mit Alkohol- oder Drogensucht auf. Es besteht zudem ein erhöhtes Suizidrisiko.
Was sind psychische Störungen in der Kindheit?
Viele psychischen Störungen nehmen ihren Anfang in der Kindheit oder Pubertät. Die folgenden genannten Störungen treten jedoch besonders häufig im Kleinkindalter und während der Kindheit auf.
Aufmerksamkeitsdefizit-Störung
Häufig auch als ADS oder ADHS bezeichnet, bezieht sich diese Störung auf zwei Symptome. Zum einen zeigen Kinder einen hohen Grad an Unaufmerksamkeit und haben Schwierigkeiten, sich in der Schule anzupassen. Zum anderen leiden Kinder unter Hyperaktivität und Impulsivität (ADHS). Eine ADS- oder ADHS-Diagnose setzt voraus, dass ein Kind mindestens sechs Monate unter den Symptomen leidet und sie vor dem Alter von 7 Jahren gezeigt hat.
Autistische Störung
Kinder mit einer autistischen Störung haben Probleme, Bindungen zu anderen Personen aufzubauen. Die Sprachentwicklung ist häufig verzögert. Das Interesse an der Umwelt kann stark eingeschränkt sein. Kinder flüchten sich in Routinen oder rituelle Verhaltensweisen. Zum Beispiel ordnen sie Spielzeuge in Mustern an oder möchten, dass alles «seine Ordnung» hat. Häufig ist die Diagnose schwierig, bis sprachliche Probleme auftauchen und die Störung sichtbar wird. Kinder mit hohem Autismusrisiko lächeln seltener und reagieren weniger auf ihren Namen.
Viele Betroffene begeben sich aus Scham oder Unwissenheit zu spät in psychotherapeutische Betreuung. In diesem Artikel über Therapievermittlung finden Sie Hilfe bei der Suche nach psychologischer Unterstützung.
Quellen
- Gerrig, R. J. (2016). Psychologie (20. Auflage). Hallbergmoos, Deutschland: Pearson