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Essstörungen: Übersicht und Hilfe

Essstörungen verursachen viel Leid und werden ohne Behandlung zur chronischen Belastung. Comparis bietet einen Überblick zu diagnostizierten Essstörungen, hilft dabei, Symptome zu erkennen, und nennt Anlaufstellen bei Magersucht, Bulimie und Esssucht.
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Julia Strachowitz

01.02.2022

Mesch auf Waage

Unsplash

Essstörungen wie Bulimie, Magersucht oder Esssucht können ohne Behandlung zu chronischen Verläufen führen. Doch wie sehen diese Störungen aus?

Was beeinflusst mein Essverhalten?

Das Hormon Ghrelin wird von einem leeren Magen ausgeschüttet und signalisiert «Ich habe Hunger». Das Hormon Cholecystokinin (CCK) wird ausgeschüttet während sich der Dickdarm füllt und gibt das Signal «Ich bin satt». Das Hormon Leptin hat die Aufgabe, den Appetit zu zügeln. Doch das Bedürfnis nach Nahrung hängt nicht nur von körperlichen Signalen ab.

Viele psychologische Faktoren bestimmen das Essverhalten. Essen ist mit Emotionen verbunden. Bereits Säuglinge lernen, dass Nahrung mit Sicherheit, Wohlbefinden und Geborgenheit verknüpft ist. Bestimmte Nahrungsmittel stehen für Genuss. Glücksgefühle werden durch Zucker und Fett stimuliert. Doch auch negative Gefühle beeinflussen das Essverhalten. Stress kann dazu führen, dass Mahlzeiten als Ersatz für Entspannung und Trost genutzt werden.

Hinzu kommen Einflüsse unserer Kultur. In der westlichen Gesellschaft essen wir in der Regel drei Mahlzeiten am Tag. Die Zeitpunkte sind mehr an sozialen als an körperlichen Normen orientiert. Wir treffen uns mit Arbeitskollegen zur «Mittagspause» und abends zum «Familienessen».

Zudem haben religiöse und ethische Normen einen Einfluss auf unser Essverhalten. Rund ein Fünftel der Schweizer Bevölkerung sind sogenannte Flexitarier und Flexitarierinnen. Etwa 6 Prozent ernähren sich vegetarisch. Und rund 3 Prozent leben vegan. Kaufentscheidungen für Nahrungsmittel sind oft auch ökonomisch orientiert. Gesunde Lebensmittel sind häufig teurer. Menschen mit begrenzten finanziellen Mitteln können sich eine gesunde Ernährung teilweise gar nicht leisten.

Welche Essstörungen gibt es?

Gemäss einer Studie des Bundesamts für Gesundheit BAG sind 3,5 Prozent der Schweizer Bevölkerung im Laufe ihres Lebens von einer Essstörung betroffen. Bei Menschen mit Essstörungen ist die Regulierung zwischen internen Körpersignalen und Essverhalten gestört. Magersucht (Anorexia nervosa) wird diagnostiziert, wenn das Körpergewicht einer Person unterhalb der Grenze von 85 Prozent des erwarteten Normalgewichts liegt. Dennoch hat die betroffene Person Angst, zu dick zu sein.

Von Bulimie Betroffene (Bulimia nervosa) werden von «Essattacken» beeinflusst. In bestimmten Zeiträumen wird intensiv und unkontrolliert gegessen. Darauf folgt eine Phase, in der die überschüssigen Kalorien wieder abgeführt (z.B. durch Erbrechen oder Missbrauch von Abführmitteln) oder beispielsweise durch Sport kompensiert werden.

Bei einer Esssucht (Binge-Eating-Störung) geben sich Betroffene regelmässig Essattacken hin, ohne im Abschluss die Kalorien wieder abzuführen. Die Essattacke wird als grosser Stressfaktor empfunden, verbunden mit dem Gefühl des Kontrollverlustes.

Die Formen der Essstörungen können ineinander übergehen. Allen gemeinsam ist das damit verbundene seelische Leid. Das Selbstwertgefühl ist instabil. Die Erkrankung wird häufig verheimlicht und ein sozialer Rückzug aus Freundschaften und von der Familie ist die Folge.

Online Selbsttest

Sind Sie sich nicht sicher, ob Sie Hilfe brauchen? Online-Tests wie der von unserem Partner Klenico können Ihnen eine erste Einschätzung geben. Anhand eines Online-Fragebogens wird ihre psychische Belastung erhoben. Im Anschluss können Sie ein digitales Auswertungsgespräch mit einer psychologischen Fachperson buchen, in dem Sie direkt passende Behandlungsempfehlungen erhalten.

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Leide ich unter Magersucht?

Die Störung ist von aussen meist zu erkennen. Betroffene haben starkes Untergewicht, das 15 Prozent oder mehr unter dem Normalgewicht liegt. Folgende Fragen helfen, das Problem bei sich selber zu erkennen:

  • Kreisen meine Gedanken häufig um Gewicht, Kalorien und Essen?
  • Kontrolliere ich meine Nahrungsaufnahme streng oder verweigere sie sogar?
  • Treibe ich extrem viel Sport oder verwende Medikamente (Appetitzügler, Abführmittel, harntreibende Mittel), um mein Gewicht zu reduzieren?
  • Habe ich das Gefühl, zu dick zu sein, obwohl mein Umfeld das Gegenteil behauptet?
  • Habe ich selten Hunger? Spüre ich meinen Hunger nicht mehr?
  • Habe ich grosse Angst vor einer Gewichtszunahme?
  • Habe ich das Gefühl, dass mein Körper das Einzige ist, was ich kontrollieren kann?

Leide ich unter Bulimie?

Bulimie ist von aussen nur schwer erkennbar. Betroffene haben häufig ein normales Gewicht oder sind leicht über- oder untergewichtig. Das Essverhalten in der Öffentlichkeit ist normal. Folgende Fragen helfen, das Problem zu erkennen:

  • Habe ich Probleme, meine Gefühle zu spüren und zuzulassen? 
  • Treten meine Essanfälle häufig nach dem Erleben negativer Gefühle auf?
  • Kreisen meine Gedanken häufig um meinen Körper und mein Gewicht?
  • Habe ich regelmässige unkontrollierte Essanfälle?
  • Verliere ich während der Essanfälle die Kontrolle darüber, was und wie viel ich esse?
  • Erbreche ich, verzichte ich für längere Phasen komplett auf Essen, benutze ich Abführmittel oder treibe extrem viel Sport, um die Essattacken auszugleichen?

Leide ich unter Esssucht?

Die Störung ist häufig durch Übergewicht gekennzeichnet. Das Essen wird zum Versuch, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu bewältigen. Folgende Fragen helfen, das Problem zu erkennen:

  • Leide ich unter unkontrollierten Essattacken?
  • Esse ich regelmässig viel, schnell, wahllos und alleine?
  • Habe ich mein Hungergefühl während der Nahrungsaufnahme verloren und esse zu wenig/viel?
  • Greife ich zu (viel) Nahrung, wenn sich negative Gefühle in mir ausbreiten?
  • Erlebe ich nach Essattacken Ekel, Scham und Schuldgefühle?
  • Mache ich Diäten, um mein Gewicht zu reduzieren? Leide ich dabei unter dem Jojo-Effekt?

Welche Ursachen für Essstörungen gibt es?

In der Forschung gibt es Hinweise darauf, dass Essstörungen genetisch bedingt sind. Zudem gibt es eine Verbindung von Persönlichkeitsmerkmalen wie Perfektionismus als Risikofaktoren. Wer sich einen «perfekten» Körper wünscht, ist anfälliger für gestörtes Essverhalten. Auch die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper ist ein Risikofaktor. Weitere individuelle Ursachen sind ein geringes Selbstwertgefühl, ein hoher Leistungsanspruch, geringe Konfliktfähigkeit und ein hohes Kontrollbedürfnis.

Medien leisten einen entscheidenden Beitrag zur Wahrnehmung von Schönheitsidealen. Studien zufolge stieg die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, nachdem Teilnehmende eine **Präsentation über die «Ideale der Massenmedien» gesehen hatten. Die Idealfigur einer Frau wandelte sich im Laufe der Zeit. Noch nie war der Druck, «körperlich perfekt zu sein», so hoch. Darunter leiden bereits Kinder und Jugendliche. Prävention Essstörungen Praxisnah (PEP) führt regelmässig Workshops zum Thema «Positive Body Image» für Jugendliche und Erwachsene durch.

Auch das intensive Thematisieren von Gewicht im Freundeskreis kann Auslöser für Essstörungen sein. Mobbing oder negative Kommentare durch das Umfeld der Betroffenen können zusammen mit anderen Faktoren zu einer Erkrankung führen.

Traumatische Erfahrungen in der Vergangenheit können auch Jahre später zu einer Essstörung führen. Frauen, die als Kind sexuell missbraucht wurden, haben im Erwachsenenalter ein erhöhtes Risiko für Bulimie, Magersucht oder Esssucht. Essstörungen können durch familiäre Ursachen (Fehlen positiver Vorbilder, Unterdrückung negativer Gefühle, Scheidung, fehlende Streitkultur, Erkrankung eines Elternteils) auftreten. In diesem Artikel erfahren Sie mehr über PTBS.

Was sind Symptome und Folgen von Essstörungen?

Neben den psychologischen Folgen wie sozialer Rückzug, Minderwertigkeitsgefühle, Stimmungsschwankungen und depressive Verstimmungen führen Essstörungen zu einer Reihe an körperlichen Problemen:

  • Allgemeine Muskelabnahme (bei Magersucht)
  • Knochenschwund (bei Magersucht)
  • Schädigung von Herz, Leber und Nieren
  • Ausbleiben der Regelblutung bei weiblichen Erkrankten
  • Schmerzen im Hals, in der Speiseröhre und dem Magen-Darm-Trakt (bei Bulimie)
  • Zerstörung des Zahnschmelzes (bei Bulimie)
  • Adipositas und damit zu einhergehenden Erkrankungen wie etwa Typ-2-Diabetes (bei Esssucht)

Wo finde ich Hilfe?

Die rechtzeitige Behandlung von Essstörungen ist im Hinblick auf die schweren Folgeprobleme und den häufig chronischen Verlauf wichtig. Psychotherapie hilft bei der Heilung von Bulimie, Magersucht und Esssucht.

Die Schweizerische Gesellschaft für Essstörungen (SGES) bietet eine Übersicht an Adressen von Experten und Expertinnen in allen Kantonen der Schweiz. Dort sind Psychologen und Psychologinnen, Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen, Ernährungstherapeuten und Ernährungstherapeutinnen sowie Kliniken aufgelistet.

Die Arbeitsgemeinschaft Ess-Störungen (AES) informiert und unterstützt Betroffene und Angehörige. Sie können sich kostenlos per Telefon oder Mail melden und beraten lassen, auf Wunsch anonym.

Das Inselspital Bern hat auf seiner Webseite eine umfassende Übersicht mit Anlaufstellen für Essstörungen für alle Kantone in der Schweiz veröffentlicht. Dort finden Sie eine grosse Auswahl an Experten und Expertinnen.

Die Selbsthilfe Schweiz bietet verschiedene Selbsthilfegruppen zum Thema Essstörungen an. Die Gruppen können Ergänzung, aber kein psychotherapeutischer Ersatz für die Behandlung einer Erkrankung sein.

Was tun als Angehöriger?

Gibt es in Ihrem Umkreis eine Person mit einer Essstörung? Sie können den Erkrankten oder die Erkrankte wie folgt unterstützen:

  • Gespräch suchen: Ich-Botschaften formulieren («Ich kenne dich als kontaktfreudigen Menschen, aber in letzter Zeit ist mir aufgefallen, dass du…»)
  • Zuhören: Für Erkrankte kann es eine grosse Erleichterung sein, einfach erzählen zu können und auf Verständnis zu stossen
  • Vorwürfe vermeiden: Keine Drohungen, Warnungen oder Schuldzuweisungen
  • Geduld haben: Es kann einige Zeit dauern, bis Betroffene sich entscheiden, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen
  • Unterstützung anbieten: Behutsam zu weiterführender Hilfe motivieren (z.B. Beratungsstellen, Psychotherapie) und bei der Suche nach Informationen unterstützen

Essstörungen können zu Suizidgedanken führen. Hier ist es wichtig, die Person darauf anzusprechen, vertrauensvoll zuzuhören und sie ernst zu nehmen. Machen Sie sich klar, dass Probleme, mit denen Sie zurechtkommen würden, für andere Menschen unüberwindbar erscheinen können. Begleiten Sie die Person zu professioneller Unterstützung.

Quellen

  • Gerrig, R. J. (2016). Psychologie (20. Auflage). Hallbergmoos, Deutschland: Pearson.
  • DeBraganza, N. & Hausenblas, H.A. (2010). Media exposure of the ideal physique on women’s body dissatisfaction and mood. Journal of Black Studies, 40, 700-716.
  • Bundesamt für Gesundheit BAG

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